Der Turnverein seit 1933
Die politische Wende vom Januar 1933 hatte auch für den Turnverein einschneidende Konsequenzen. In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 5. Mai 1933 musste er seinen Beitritt zum „Nationalsozialistischen Deutschen Sportverband“ erklären, der sich später in „Deutscher Reichsbund für Leibesübungen“ umbenannte. Wie alle Vereine waren auch die Turner gezwungen, ihre demokratische Struktur aufzugeben und sich nach dem Führerprinzip zu organisieren. Der Vorsitzende hieß von da an „Vereinsführer“. Weitere nach außen sichtbare Konsequenzen hatte der Regimewechsel zunächst nicht. Der Sportbetrieb lief in den gewohnten Bahnen weiter.
Vom 1.- 3. Juli 1933 wurde das 70-jährige Bestehen des Turnvereins gefeiert, das mit einem Kreissportfest verbunden war. Bei den sportlichen Wettkämpfen war erstmals Schwimmen und Tauchen vertreten. Den Schwimmsport konnte man damals nur in dem alten, provisorisch eingerichteten Schwimmbad in der Tauber ausüben. Ein modernes Schwimmbad gab es noch nicht.
Ausführlich berichtet die Vereinschronik von der Weihe einer neuen Fahne am 14. Oktober 1934. Die alte Fahne von 1865 war mittlerweile schadhaft geworden und hatte den Rest bekommen, als sie 1933 beim Deutschen Turnfest in Stuttgart durch einen Windstoß mit anderen Fahnen zusammengeriet. Sie wurde jedoch aufbewahrt, Mitte der 1990er Jahre restauriert und im Tauberfränkischen Landschaftsmuseum aufgehängt. Der Entwurf für die neue Fahne stammte von dem Oberturnwart Alfons Stein.
Bei Wettkämpfen errangen Tauberbischofsheimer Turner immer wieder glänzende Erfolge, die im Protokollbuch fleißig vermerkt wurden. Bei den Bergturnfesten auf der Frankenwarte in Würzburg wurde Wilhelm Schmidt 1936 und 1937 jeweils Sieger im Dreikampf. Auch Gerhard Schmidt und Karl Reinhardt erreichten ausgezeichnete Platzierungen.
Bei den Frauen zeigte sich Johanna Schwaier als „Kämpferin 1. Klasse“ und belegte im Dreikampf, im Weitsprung und im 100 m-Lauf durchweg vordere Plätze. Der Schriftführer notierte stolz, der Turnverein Tauberbischofsheim sei „wohl einer der besten Vereine im Verhältnis zur Ortsgröße“.
Dass der Turnverein finanziell nicht auf Rosen gebettet war, ist zahlreichen Protokolleinträgen zu entnehmen. In seiner Sitzung vom 3. September 1937 beschloss der Turnrat, die Einladung des Turnvereins Sachsenflur zu einem Sportfest am 12. September 1937 anzunehmen. Doch dann heißt es: „Die Fahrt soll mit dem Fahrrad erfolgen, um die Vereinskasse nicht zu belasten. Das Startgeld zahlt jeder Kämpfer selbst.“
In derselben Sitzung wurde über Verluste bei Spielen der Handballriege geklagt: „Die Schiedsrichter dürfen nicht weiter so teuer sein, dass sie die ganzen Platzeinnahmen für sich brauchen.“ Wo es ging, wurde gespart. In einer Sitzung am 28. April 1938 beschloss man, die Badische Turnerzeitung nur noch in einem Exemplar zu beziehen.
Wie alle Vereine hatte auch der Turnverein zunehmend mit dem Problem zu kämpfen, dass ihm durch die Konkurrenz der nationalsozialistischen Verbände immer mehr aktive Sportler verloren gingen. Die Jugendlichen gehörten zwangsweise der Hitlerjugend und anderen Massenverbänden an, von denen sie zeitlich voll in Anspruch genommen wurden. Da blieb kaum noch Zeit für Sportvereine oder andere Organisationen.
Schon im Februar 1935 klagte der Vorsitzende („Führer“) des Turnvereins in der Hauptversammlung über „die Schwierigkeiten, unter denen die Vereine augenblicklich zu leiden haben, weil viele junge Leute durch vermehrte Inanspruchnahme in den Wehrverbänden in den Vereinen nicht mehr mitarbeiten“. Viele Sportvereine lösten sich in dieser Zeit auf.
In Tauberbischofsheim bestand diese Gefahr nicht. Aus dem Protokoll der Hauptversammlung vom 29. April 1937 geht sogar hervor, dass eine neue Sportart im Turnverein Fuß gefasst hatte, das Faustballspiel, das meist von Handballern betrieben und von ihnen organisatorisch betreut wurde.
Deren eigener Spielbetrieb lief nur sehr mühsam. Es gab einfach nicht genügend Vereine, die eine Handballmannschaft für Verbandsspiele meldeten. Hinzu kam die geringe Attraktivität des Großfeldhandballs. „Leider hat der Handballbetrieb bei der hiesigen Bevölkerung bis jetzt kein Verständnis gefunden“, so klagte der Schriftführer E. Göbel im März 1937 in seinem Tätigkeitsbericht über die beiden zurückliegenden Jahre. Trotzdem war die Handballriege des Turnvereins bis Mai 1939 aktiv, wenn auch nur in geringem Umfang.
Je näher der Weltkrieg rückte, umso mehr gingen die sportlichen Aktivitäten zurück. Das 75-jährige Jubiläum 1938 wurde mit vergleichsweise geringem Aufwand gefeiert, war aber das letzte sportliche Großereignis vor dem Krieg. Der Turnverein organisierte damals ein Programm, an dem neben den Turnern und Leichtathleten auch die Fußballer und Handballer beteiligt waren.
Damals kündigte sich schon eine wichtige strukturelle Veränderung an: die Vereinigung des Turnvereins mit dem seit 1921 bestehenden Sportverein der Fußballer. Da dieser die zweite Säule ist, auf dem die Fusion von 1939 ruht, ist es an dieser Stelle sinnvoll, die Geschichte des Sportvereins in den 1920er und 1930er Jahren darzustellen, damit die Voraussetzungen deutlich werden, unter denen sich der Zusammenschluss vollzogen hat.
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